Caren Miosga heute am 22.09.2024, 22:00 Uhr
Foto: NDR/Philipp Rathmer
Immer wieder Sonntags: Heute um 22:00 Uhr talkt Caren Miosga nach dem „Tatort“ und einem 10 minütigen „tagesthemen extra“ in der ARD zum Thema:
„Nach den Wahlen: Was wird aus Deutschland, Herr Gauck?“
Gäste der heutigen Sendung sind Joachim Gauck, Bundespräsident a.D., Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin und Steffen Mau, Soziologe.
Pünktlich?
Heute sind die Wahlen in Brandenburg, eingepreist ist das in den geplanten Sendertermin mit einer um 5 Minuten verlängerten Tagesschau und einem Tagesthemen Extra um 21:50 Uhr. Ob es damit für einen pünktlichen Start reicht, werden wir sehen.
Gäste bei Caren Miosga heute, 22.09.2024, 22:00 Uhr, in der ARD. Wiederholung der Sendung z. B. morgen früh am 23.09.2024, 01:00 Uhr, NDR.
Thema der Sendung:
Drei Wochen nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen wird an diesem Sonntag auch in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. SPD und AfD liefern sich ein Kopf-an-Kopf -Rennen. Die AfD könnte erneut stärkste Kraft werden. Dietmar Woidke hat bereits angekündigt, als Ministerpräsident zurücktreten zu wollen, sollte seine SPD hinter der AfD landen. Wird seine Strategie aufgehen, kann die SPD die Mehrheit der Menschen in Brandenburg noch erreichen? Warum wählen so viele, gerade auch junge Menschen die in Teilen rechtsextreme AfD? Und welche Folgen wird das Wahlergebnis für die Ampel in Berlin haben?
Gäste bei Caren Miosga heute, 22.09.2024
Joachim Gauk
Joachim Gauck, von 2012 bis 2017 Deutschlands elfter Bundespräsident, prägte schon lange vor seiner Amtszeit das politische Geschehen. Als Pastor in Rostock organisierte er 1989 die wöchentlichen Montagsdemonstrationen, die zur friedlichen Revolution in der DDR führten. Er war Mitbegründer des oppositionellen Neuen Forums und wurde 1990 in die erste frei gewählte Volkskammer der DDR gewählt. Nach der Wiedervereinigung übernahm er die Leitung der Stasi-Unterlagen-Behörde, wo er sich zehn Jahre lang für die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit einsetzte. Gaucks Engagement für Freiheit und Demokratie prägte seinen Werdegang und verschaffte ihm hohes Ansehen in ganz Deutschland.
Seine Rolle während der Wiedervereinigung und der Aufarbeitung des SED-Unrechts machte ihn zu einem der wichtigsten Verfechter von Eigenverantwortung und politischer Freiheit. Er betonte stets die Bedeutung der Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit, um die Demokratie zu stärken. Als Bundespräsident knüpfte Gauck an diese Werte an und forderte sowohl in Deutschland als auch international eine konsequentere Verteidigung demokratischer Prinzipien. Bei einem Staatsbesuch in der Türkei sprach er sich klar gegen die autoritären Tendenzen von Präsident Erdogan aus und warnte frühzeitig vor den geopolitischen Ambitionen Wladimir Putins.
Während seiner Amtszeit gelang es Gauck, das beschädigte Ansehen des Bundespräsidentenamtes nach den Rücktritten seiner Vorgänger Wulff und Köhler wiederherzustellen. Mit seiner ruhigen, aber eindringlichen Art forderte er die Bürger immer wieder zur Verantwortung für die Demokratie auf. In einer seiner bekanntesten Reden sagte er: „Wir haben Grund, uns zu freuen über dieses Land.“ Er rief dazu auf, die Freiheit zu schätzen, aber auch zu verteidigen. Gauck kritisierte die wachsende politische Apathie und erinnerte daran, dass Demokratie nur mit aktiver Beteiligung lebendig bleiben kann.
Auch nach seiner Amtszeit blieb Gauck eine wichtige moralische Instanz. Mit seiner Forderung nach mehr Eigenverantwortung und seinem Appell, die Freiheit niemals als selbstverständlich zu betrachten, traf er einen Nerv in der Gesellschaft. Ein weiterer prägnanter Satz aus seiner Zeit im Amt lautet: „Die Freiheit ist nicht grenzenlos.“ Gauck betonte immer wieder, dass Freiheit mit Verantwortung einhergeht, sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber dem eigenen Handeln. Diese Botschaften hinterließ er als Vermächtnis – ein beständiger Aufruf, die freiheitliche Demokratie zu verteidigen und aktiv mitzugestalten.
Julia Reuschenbach
Die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der politischen Kommunikation in Deutschland und der Dynamik innerhalb der Regierungskoalition beschäftigt. Besonders die Spannungen in der aktuellen Ampelkoalition (SPD, Grüne, FDP) standen dabei im Fokus ihrer Analysen. Sie kritisierte die FDP, die sich häufig als „innere Opposition“ zur eigenen Regierung positioniert, um nach regionalen Wahlniederlagen an Profil zu gewinnen. Diese parteiinternen Konflikte führten oft zu Verzögerungen in wichtigen Entscheidungsprozessen, etwa beim Klimaschutz und der Modernisierung der Infrastruktur.
Darüber hinaus äußerte sich Reuschenbach zur deutschen Zögerlichkeit in der Unterstützung der Ukraine und wies auf die Herausforderung hin, den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft trotz interner Meinungsverschiedenheiten voranzutreiben. In der Außenpolitik sieht sie die Notwendigkeit, klare Positionen zu beziehen, insbesondere in Bezug auf die Beziehungen zu Russland und die Stärkung der NATO-Bündnisverpflichtungen. Diese Themen spiegeln ihre kritische Sicht auf die aktuelle deutsche Regierungsführung und die Herausforderungen bei der Bewältigung struktureller Krisen wider.
Steffen Mau
Der Soziologe Steffen Mau hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Rolle von Grenzen in einer globalisierten Welt sowie der sozialen Ungleichheit beschäftigt. In seinem Buch „Sortiermaschinen“ zeigt Mau, dass Grenzen heute nicht nur physische Barrieren sind, sondern auch rechtliche und digitale Formen annehmen. Er spricht von einer „Externalisierung der Kontrolle“, bei der Grenzüberwachung bereits weit vor den tatsächlichen Landesgrenzen beginnt, etwa durch Abkommen mit Drittstaaten. Diese Mechanismen selektieren, wer Zugang zu Wohlstand und Mobilität hat, und verstärken globale Ungleichheiten. Besonders betroffen sind Migranten, die an den Außengrenzen Europas unter oft prekären Bedingungen festgehalten werden, während privilegierte Reisende in Schnellspuren die Kontrollen umgehen können.
Ein weiteres zentrales Thema in Maus Forschung ist die ungleiche Entwicklung zwischen Ost- und Westdeutschland seit der Wiedervereinigung. In seinem Buch „Lütten Klein“, das nach seinem Heimatviertel in Rostock benannt ist, beschreibt Mau die langfristigen sozialen Brüche, die durch die Wende entstanden sind. Viele Ostdeutsche erlebten nach der Wiedervereinigung nicht den erhofften sozialen Aufstieg, sondern mussten massive Verluste hinnehmen, während sie zugleich mit einer abnehmenden sozialen Mobilität konfrontiert waren. Besonders deutlich wird dies durch die Abwanderung junger Menschen in den Westen und den damit verbundenen Verlust an sozialem Kapital im Osten. Diese „sozialen Frakturen“, wie Mau sie nennt, prägen das Leben vieler Ostdeutscher bis heute
Mau sieht diese Spaltung als tief verankert in der Struktur der ostdeutschen Gesellschaft und fordert gezielte Maßnahmen, um Ostdeutsche besser in führende soziale und politische Positionen zu integrieren. Er betont, dass die geringe politische Partizipation und die Schwäche der Zivilgesellschaft im Osten ebenfalls Nachwirkungen der Wiedervereinigung sind. Mau plädiert daher für eine stärkere Förderung ostdeutscher Eliten und eine aktive Auseinandersetzung mit den Lebensrealitäten in den neuen Bundesländern, um die fortbestehenden Ungleichheiten zu überwinden. Damit verbunden ist auch die Forderung, die Lebensgeschichten der Ostdeutschen stärker anzuerkennen und in den gesamtdeutschen Diskurs einzubinden